Nur vier Fragen,
Frau Präsidentin!
Innovative Technologien und Entwicklungen der Neurophysiologie verändern maßgeblich den klinischen und wissenschaftlichen Alltag
Seit dem Kongress für Klinische Neurowissenschaften im März 2024 in Frankfurt hat Prof. Dr. Susanne Schubert-Bast die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e.V. übernommen. Seit April 2024 ist sie außerdem Professorin für Pädiatrische Epileptologie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt Rhein-Main – einem von zwei Lehrstühlen zu diesem Fachgebiet in Deutschland. Sie gilt als ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. Vor diesem Hintergrund stellt sie als Kongresspräsidentin des DGKN-Kongresses 2025 in Frankfurt das Thema „Lebenslanges Lernen - von der Entwicklung zur Reorganisation“ mit den Schwerpunkten Neuropädiatrie und Neuropsychologie in den thematischen Mittelpunkt. Ziel ist es, innerhalb der DGKN interdisziplinär verschiedene Sichtweisen und Studienansätze kennenzulernen, um die Weiterentwicklung und neue Forschungsprojekte in diesem Bereich voranzutreiben.
EEG-Elektroden zur Ableitung von Hirnströmen.
(c) DGKN/ UKJ/ Klin. Medienzentrum/ I. Rogast
1.
Die Klinische Neurophysiologie und die Neurowissenschaften machen angesichts innovativer Technologien spannende Fortschritte. Was bedeutet das für die Neuromedizin und die Aufgaben der DGKN?
Die Neurophysiologie und Neurowissenschaften befinden sich in einer sehr spannenden und auch gesellschaftlich bedeutsamen Entwicklungsphase. Immerhin leiden laut einer aktuellen Studie rund 43 Prozent der Menschheit an neurologischen Beschwerden! Mit künstlicher Intelligenz und anderen innovativen Technologien können wir hochkomplexe Daten auswerten und interpretieren. Fortschritte bei bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) erlauben detailliertere Einblicke in die Gehirn- und Nervenfunktionen. Neue Erkenntnisse der Funktionsdiagnostik wie Elektroenzephalografie (EEG) oder transkranielle Magnetstimulation liefern genauere Aktivitätsmessungen des Gehirns, der peripheren Nerven und der Muskeln. Daraus ergeben sich vielversprechende Möglichkeiten für präzisere und individuellere Diagnosestellungen und Therapien.
Für die DGKN bedeutet diese rasante Entwicklung eine verstärkte Rolle bei der Förderung von Forschung und Ausbildung im Bereich der klinischen Neurophysiologie und Neurowissenschaften. Die Fachgesellschaft muss sicherstellen, dass ihre Mitglieder mit den neuesten Technologien und Forschungsmethoden vertraut sind und Zugang zu kontinuierlicher Fortbildung haben. Darüber hinaus bietet die DGKN eine Plattform, auf der Neurowissenschaftler, Neurophysiologen und Fachleute anderer Disziplinen ihr Wissen austauschen und gemeinsam an der weiteren Verbesserung der neurologischen Versorgung arbeiten können.
Pädiatrische EEG-Untersuchung
(c) AdobeStock/Vadim
2.
Welche Ziele für die DGKN werden in ihrer Amtszeit besonders im Fokus stehen?
Mein Ziel ist es, weiterhin dazu beizutragen, dass die DGKN insbesondere für den wissenschaftlichen und klinischen Nachwuchs attraktiv bleibt. Junge Ärztinnen und Ärzte können sich bei der DGKN mit einer internationalen Community vernetzen und schon heute zu den Themen und Methoden auf dem Laufenden halten, die in naher Zukunft ihren klinischen und wissenschaftlichen Alltag maßgeblich verändern.
Außerdem werde ich mich dafür einsetzen, dass neben der Neurologie auch die anderen Fachgebiete wie Neuropädiatrie und Neuropsychologie innerhalb der DGKN weiter gestärkt werden. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits getan. So bietet die DGKN jetzt eine neue Zertifikatsausbildung „Pädiatrische Neurophysiologie und Bildgebung des neuromuskulären Systems beim Kind“ an. Dabei geht es um die Herausforderung, neurophysiologische Methoden an pädiatrische Patientinnen und Patienten anzupassen und Befunde altersgerecht zu interpretieren.
3.
Als wissenschaftlichen Schwerpunkt für den DGKN-Kongress 2025 haben Sie als Präsidentin das Thema „Lebenslanges Lernen – von Entwicklung zur Reorganisation“ mit Fokus auf Neuropädiatrie und Neuropsychologie ausgewählt. Warum?
Das Lernen verbindet alle Bereiche unserer Fachgesellschaft. Dabei ist es spannend zu erkennen, welche Lernprozesse in welchem Lebensalter eine Rolle spielen. Auch funktionale Defizite, Reorganisationsprozesse und Rehabilitation können von unterschiedlichster Seite aus beleuchtet werden und sind beim Kind ganz anders als beim Erwachsenen oder alten Menschen. Diese Diversität ermöglicht es, interdisziplinär verschiedene Sichtweisen und Forschungsansätze kennenzulernen, die geradezu symbolisch für das breite Spektrum der DGKN-Mitglieder und Interessierten unserer Fachgesellschaft stehen.
4.
Sie sind Expertin auf dem Gebiet der Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen. Was sind die vorrangigen „medical needs“ in diesem Bereich und wie kann die DGKN zur Optimierung der Situation beitragen?
Auf dem Gebiet der Epilepsien im Kindes- und Jugendalter sind in letzter Zeit viele spannende Fortschritte erzielt worden. Es ist entscheidend, die Erkrankungen so früh wie möglich zu erkennen, um eine angemessene Behandlung zu ermöglichen und potenzielle Komplikationen zu vermeiden. Kinderärzte und Neurologen müssen die Anzeichen und Symptome von Epilepsie erkennen und diagnostische Tests wie das EEG effektiv einsetzen, um eine genaue Diagnose zu stellen.
Da Kinder und Jugendliche mit Epilepsie spezifische Bedürfnisse haben und auf verschiedene Behandlungsmethoden unterschiedlich ansprechen ist es wichtig, individuelle Behandlungspläne zu entwickeln. Dies kann die Auswahl geeigneter Antiepileptika, Ernährungsinterventionen oder sogar chirurgische Eingriffe umfassen. Aufgabe der DGKN ist es, das Gebiet der pädiatrischen Epileptologie auch weiterhin mit innovativen diagnostischen Verfahren wissenschaftlich zu begleiten und die Ausbildung in den entsprechenden Funktionsbereichen auf höchstem Niveau zu gewährleisten.